Von Frau Hilde Dalbert-Gundermann aus Postelberg, Fischergasse 61
Nachdem man im Mai 1945 alle Postelberger deutschen Männer von 16 bis 65 Jahren in die Postelberger Kaserne zusammen getrieben und viele von Ihnen teilweise bestialisch ermordet hatte, wurden die Frauen und Kinder von tschechischen Soldaten (Swobodisten) und Polizisten (SNP) gezwungen, die Wohnungen zu verlassen, die Wohnungsschlüssel abzugeben und wurden dann in ein Barackenlager im Postelberger Fasangarten gebracht. Sie durften nur mitnehmen was sie am Leib trugen und maximal drei kg Gepäck, darunter Lebensmittel für eine Woche.
Als Tatzeugin musste ich miterleben, wie der im März 1945 ein mit Kaiserschnitt geborene Sohn von Frau Zita Haase, geb. Zens aus Postelberg, buchstäblich verhungern musste. Sie hatte für ihr Kind nur etwas Milchpulver dabei, das bald aufgebraucht war. Für Kleinkin-der gab es keine Milch. Die Erwachsenen bekamen nach einigen Tagen früh und abends 100g Brot und eine schwarze Brühe, Kaffee genannt. Mittags gab es eine Suppe, meist ohne Salz, dazu ca. 100g Kartoffeln pro Kopf aber kein Gemüse. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ein Soldat bei der Rückkehr von der Zwangsarbeit bei der Kontrolle alle Lebensmittel und auch ein bisschen Milch, das ich für das Baby einschmuggeln wollte, weggenommen hat. Pro-testieren half nicht, auch nicht der Hinweis, dass das Kind verhungern muss.
Das Baby schrie und wimmerte vor Hunger als das Milchpulver zu Ende gegangen war. Die Mutter zerkaute Brot und versuchte ihr Kind mit diesem Brei zu füttern. Sie konnte ihren neugeborenen Sohn nicht vor dem Verhungern retten, eines Morgens war er tot. Er war nicht das einzige Kleinkind, das im Lager dem Tod ausgesetzt war. Die Mutter suchte nun eine Begräbnisstätte. Es wurde ihr erlaubt, das Kind im Grab bei Verwandten zu beerdigen. Ein Soldat begleitete sie – kein Pfarrer. Es war keine Beerdigung im üblichen Sinne, es war ein Verscharren. Mit bloßen Händen grub die Mutter ein Loch und legte das in einer Schachtel liegende Kind hinein. Vorbeigehende tschechische Weiber beschimpften sie als deutsche Hure, der nur recht geschehen ist. In dem Frauenlager haben sich viele schreckliche Dinge ereignet. Viele Frauen wurden teilweise mehrfach vergewaltigt und entehrenden Demütigungen ausgesetzt. Viele haben über diese schrecklichen Erlebnisse geschwiegen und jahrelang an den gesundheitlichen und seelischen Schäden gelitten.
In den Lagern in Postelberg sind 1945 unvorstellbare Grausamkeiten geschehen. Wie viele ermordete Männer wurden in die Panzergräben bei der Postelberger Kaserne geworfen?! Wie viele sind an Hunger und Krankheit gestorben?! Wie viele haben Selbstmord begangen?! Waren es 1600 oder 2000?! Die genaue Zahl wird man nicht mehr ermitteln können, denn die Massaker zogen sich über Monate hin. Nicht nur viele Bürger aus Saaz, Postelberg und dem Saazer Umland, sondern auch durchziehende Soldaten und Flüchtlinge waren unter den Todesopfern, die niemand kannte. Unbeschreiblich waren die Folterungen und Misshandlungen der Opfer, die sie vor ihrer Ermordung erleiden mussten. Nicht zu vergessen ist die Sklavenarbeit, die Millionen deutscher Bürger monatelang in 1945 und 1946 leisten mussten.
Unbestraft blieben die verantwortlichen Lagerleiter und Mörder wie der Saazer und Postelberger Lagerkommandant „Josef Marek“ und „Stabni Pelc“. Er ließ zu, dass sich die gefürchteten „Swobodniks“ Mädchen aus dem Lager holten, er ließ zu, dass wahllos Männer zur so genannten Rot-Kreuz-Baracke gebracht, dort verprügelt und buchstäblich tot geschlagen wurden. Sie sind verantwortlich für das Sterben der Kleinkinder, sie taten nichts gegen den Ausbruch von Krankheiten im Lager, wie z.B. Typhus durch verschmutztes Trinkwasser, nichts gegen die mit Wanzen und Läusen verseuchten Baracken.
Positiv zu erwähnen ist die Hilfe eines sowjetrussischen Arztes im Lager, der Kranken half, sie impfte und damit Leben rettete.
Nun ist die Postelberger Stadtverwaltung nach jahrelangen Verhandlungen bereit, eine Tafel zur Erinnerung an den Mai 1945 anzubringen mit folgendem Text:
Den unschuldigen Opfern im Jahre 1945
Wohl ein kleiner Schritt, hoffentlich aber ein Anfang für die Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse, die sich nie mehr wiederholen dürfen.
Hilde Dalbert-Gundermann